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Zeitgeschichte: Das Pennsylvania Referendum

Charlie Chan Collection Teil 1Nicht in allen Gegenden herrschen die gleichen Gesetze, das ist hierzulande nicht anders wie in den USA. Mancher regionale Erlass mag heutzutage gar skurril anmuten, vieles, was heute selbstverständlich ist, wäre aber verboten, hätte man es nicht vor längerer Zeit aus den Gesetzesbüchern getilgt. So auch das sonntägliche Film-Aufführungsverbot in Pennsylvania, zu dem die Bürger 1935 befragt wurden.

Da die Filmwirtschaft ein Interesse am Kippen des Gesetzes hatte, trat ein Staraufgebot vor die Kameras und machte minutenlange Streifen, die im Vorprogramm gezeigt wurden. Das Publikum kannte seine Sternchen mit Namen – unter dem warben sie dann auch, nur bei Warner Oland war es anders. Charlie Chan war bereits so populär, dass man den Schauspieler – der im Vorspann namentlich erwähnt wird – in der Rolle vor die Kamera treten lies. Das Ganze geschah nach dem Dreh von “Charlie Chans Geheimnis” wurde jedoch etwa zur Zeit der Aufführung des Vorgängerfilms “Charlie Chan in Shanghai” gezeigt.

Die Nacht vor dem HenkerDer Text ist kein herausragendes Beispiel von Charlies Weisheit und auch nicht sonderlich originell. Oland steht im Anzug vor dunklem Hintergrund, verbeugt sich leicht und spricht direkt in die Kamera:

»Größte Geheimnisse sind nicht immer Verbrechen. Viel geheimnisvoller ist, was Menschheit selbst tut aus Gründen die schwer verständlich. Zum Beispiel, Eskimo isst nicht Fleisch von Robbe zu bestimmter Jahreszeit, selbst wenn hungert. Männer in Indien gehen barfuß über heiße Kohle um Frömmigkeit zu zeigen. Ureinwohner auf Südseeinsel raucht nicht in Anwesenheit von Großvater. Afrikanischer Eingeborener rammt schmerzhaft Hölzchen durch Nase für Schönheit und seine Frau liebt es ihren Hals zu strecken wie Strauß, um hübscher zu sein. Und in ehrenwertem Staat Pennsylvania, Öffentlichkeit ist nicht gestattet Filme am Sonntag zu genießen.
Alte Weisheit sagt, seltsame Gesetze sorgen für noch seltsamere Bettgenossen. Bescheidene Wenigkeit sehr erstaunt warum Mann kann Golfspielen an Sonntag und anderer Mann darf nicht sehen Charlie Chan der Verbrecher zur Strecke bringt an selbem Tag. Respektvoll empfehle, nutzen Sie Macht von Stimmzettel bei Abstimmung am fünften Tag des November zu entfernen unnötiges Hindernis für unschuldigen Zeitvertreib. Danke, sehr vielmals!«

Charlie Chan und das Übersinnliche

DVD The Black Camel  Im Film waren die 1930er noch die Zeit der großen Seancen und die Spiritisten hatten Hochkonjunktur, ehe ab Ende der 1940er die technischen Gadgets und Größenwahnsinnige Gangster das Zepter an sich rissen.

Charlie traf einige Male auf Hellseher und ihre Medien, die zumeist eindeutig Hochstapler waren, doch es gibt Ausnahmen und nicht jedes außergewöhnliche Ereignis lässt sich zu vollster Zufriedenheit lösen. Einige Beispiele:

Ein bekannter Wahrsager, gespielt von Bela “Dracula” Lugosi, reisst in “Der Tod ist ein schwarzes Kamel” (1.02) die Vorhänge der Vergangenheit mit einer leuchtenden Kristallkugel auseinander. Eine für die damalige Zeit außerordentlich gut photographierte Szene, gleich zu Beginn des Films, die mit ähnlichen Sequenzen, z.B. aus “Die Mumie” konkurriert.

Filmkurier Das Geheimnis der MumieIn “Charlie Chan in Ägypten” (1.08) gibt es einen “Spuk” im Pharaonen-Grab, der jedoch am Ende als Abschreckungsmaßnahme des Mörders enttarnt wird.
Weitere Vorfälle lassen sich keineswegs so einfach erklären, so die leuchtenden Augen der löwenköpfige Göttin “Sachmet” oder die verlöschenden Lichter, gleich nachdem Professor Arnolds Leiche im Sarkophag gefunden wurde. Die Aura übersinnlicher Mächte wirkt in diesem Film ausserordentlich atmosphärisch.

Bald darauf wird “Charlie Chans Geheimnis” (1.10) bei einer getürkten Seance gelüftet. Das Medium und der Wahrsager in diesem Film bestehen auf ihren okkulten Kräften, obwohl auch sie sehr irdische Technik für Effekte einsetzen.

Bei “Charlie Chan auf der Schatzinsel” (2.03) werden Illusion und Wahrsagerei in einen Topf geworfen, der Erpresser/Mörder warnt seine Opfer über Horoskope. Die Seance-Szene wirkt zumindest heute grotesk bis lächerlich.
Die Gedankenlesende Eve Cairo jedoch ist außerordentlich berückend. Die Entlarvung des Mörders am Ende wunderbar montiert, auch wenn die Szene heftig verliert, wenn man darüber nachdenkt, dass Charlie das ganze einfacher hätte auflösen können.

Charlie Chans Secret - LobbycardKaum befindet sich “Charlie Chan auf dem Schatzsucherschiff” (2.09) gibt es auch schon Mord. Verübt von einem als Pirat Black Hook verkleidetem Mann, der das schwache Herz der älteren Schatzsucherin ausnützt. Die kurze Sequenz mit dem Karnevalskostüm, dem Holzbein und dem Enterhaken an der Tür ist herrlich surreal.

Schwarze Magie” (3.03) ist keineswegs im Spiel in gleichnamigem Film, sondern ein Seance-Verantstalter, der in einer gelungenen Anfangsszene das zeitliche segnet. Seine Hilfsmittel sind noch trivialer als auf der Schatzinsel und jagen wirklich niemandem mehr einen Schauer über den Rücken. Außer Birmingham Brown, der auch schon im Vorgängerfilm “Die chinesische Katze” über ein Skelett stolpern musste.

Warum liefen in Deutschland nur 26 Charlie-Chan-Filme?

Charlie Chan carries on Poster  Zur klassischen Charlie Chan Serie der 1930er und 40er Jahre gehören 44 Filme. Synchronisiert wurden in den Siebziger Jahren jedoch nur 26.
Wie kommt das?

Alles verloren

Die Gründe sind sehr unterschiedlich und gerade der allererste wirkt in Zeiten des Internets, das nichts vergisst, so merkwürdig, als wären die Filme in der Antike entstanden: Fünf Filme galten zum Zeitpunkt der Synchronisierung als verloren, das heißt, es gibt keine bekannten Kopien – von Originalen gar nicht zu sprechen.

Charlie Chan in Paris Fox-DvdDas zur Drehzeit verwendete Filmmaterial war nicht so haltbar wie zehn oder zwanzig Jahre später. Die Filmstudios hielten an verschiedenen Orten noch Kopien bereit, doch dort gingen sie verloren, wenn schon nicht aus Nachlässigkeit dann wegen zweier Großfeuer in den dreißiger und fünfziger Jahren, in denen das entzündliche Material im Nu ein Raub der Flammen wurde. Diese Filme waren unter den ersten Fünf, abzüglich “The black Camel” aber inklusive dem Ende 1934 gedrehten “Charlie Chan in Paris”. Eine Kopie von letzterem wurde leider erst einige Jahre nach der erfolgten Synchronisation für das deutsche Fernsehen doch noch gefunden und restauriert.
Macht -5 Filme mit fehlender Synchonisation.

Andere Zeiten

Der nächste Film mit fehlender Sync ist “Stadt in Dunkelheit” von 1939, der den damaligen Fernsehverantwortlichen von der Thematik her vermutlich nicht in die Unterhaltungsschiene passte: -1

Viele Studios und ein Neuer

Shanghai Chest Poster2Als die Rechte für die Serie eingekauft wurden, verhandelte man mit 20th-Century/Fox wegen der ersten Hälfte der Filme. Für die übrigen 17 Filme, die bei Monogram entstanden waren, tat man sich offenbar nicht ganz so einfach. Die Rechte am Monogram-Archiv waren seinerzeit zwischen MGM und Warner Bros aufgeteilt worden: Vor Mitte 1945 entstandene Filme kamen zu MGM, spätere zu Warner. Die Gründe für den gescheiterten Rechtekauf sind nicht ganz klar, möglicherweise gefiel den Verantwortlichen bei diesen Streifen die oft merkliche Kriegsthematik nicht, jedenfalls wurden die 6 MGM-Filme nicht angetastet: -6

Den Wechsel der Hauptdarsteller, nach dem Tod von W. Oland zu S. Toler, hielt man dem Zuschauer für vermittelbar, angesichts der Qualität der Fox-Filme sicherlich zurecht. So fiel es nicht schwer, die ersten 5 Filme, die Warner Bros im Angebot hatte einzukaufen, spielte doch auch hier Toler in der Hauptrolle. Die übrigen Streifen, mit Roland Winters, blieben jedoch aussen vor: -6

Somit ergibt sich eine einfache Rechnung: 44 Filme – 5 – 1 – 6 – 6 = 26 synchronisierte Filme

Notizen rund um Charlies Welt

“Der Himmelsdrache” (4.06, THE SKY DRAGON):
Als jemand des Mordes verdächtigt wird, sagt Charlie: „Motiv unklar und Beweismaterial zu offensichtlich.“ — In diesem Moment kann man tatsächlich nicht anders als das zu denken, was Ken Hanke in seinem Buch (»Charlie Chan at the Movies«, McFarland & Co, 1989) auch schreibt, nämlich dass man diesen Vorwurf dem schwachen Skript selber machen könnte.

Charlie Chan in Paris Poster“Charlie Chan in Paris” (1.07)
Der Flugplatz, auf dem Charlie ankommt ist der “Aerodrome Bourget”, auf dem auch Charles Lindbergh 1927 seine “Spirit of St. Louis” nach dem Transatlantikflug landete.

“Mord über New York” (2.08, MURDER OVER NEW YORK):
Shemp Howard hat einen Kurzauftritt in diesem Film. Er war Mitglied der Slapstiktruppe “The Three Stooges” (dt. “Die drei Verrückten”), die über die Jahre in unterschiedlicher Besetzung auftraten. Hierzulande alberten sich Moe, Larry und Curly in den 1980ern mit Beschimpfungen, Schlägen und “Augenstichen” durchs Kinderprogramm.

Notizen rund um Charlies Welt

Beim Anfang 1931 entstandenen “Charlie Chan macht weiter” (CHARLIE CHAN CARRIES ON, 1.01) gestaltete Regisseur Hamilton MacFadden die Rolle von Charlie zusammen mit dem Drehbuchschreiber.
Sie setzten sehr auf seine Sprüche, damals “Chanagrams” genannt, was Chan-Erfinder Earl derr Biggers, trotz des ansonsten wohlwollend aufgenommenen Streifens, wenig gefiel. Das Publikum liebte es und Charlies Markenzeichen war gefunden.

Charlie Chan at Treasure Island - DVDIn „Charlie Chan auf der Schatzinsel“ (CHARLIE CHAN AT TREASURE ISLAND, 2.03), im Frühjahr 1939 entstanden, spielt Sally Blane eine kleine Rolle.
Sie hieß eigentlich Elizabeth Jane Young und mußte unter Künstlernamen arbeiten, wegen der bekannten Schauspielerin Loretta Young, ihrer älteren Schwester.
Sally Blane hatte 1935 Norman Foster geheiratet. Der war nicht nur Regisseur von „Charlie Chan auf der Schatzinsel“ sondern auch anderen Chan- und insbesondere Mr.Moto-Filmen.

Der letzte Film der klassischen Chan-Reihe, “Der Himmelsdrache” (THE SKY DRAGON, 4.06), wurde im Dezember 1948 gedreht. Die Dreharbeiten verliefen wie üblich routiniert rasant und das Gelände von “Monogram”, dessen Tage gezählt waren, weitgehend verwaist.
Als Jon Tuska den Regisseur Lesley Selander für sein Buch interviewte (»In Manors and Alleys«, Greenwood Press, 1988) konnte der sich konsequenterweise nicht erinnern den Streifen überhaupt gemacht zu haben.

Der große Schlaf

Bestehen irgendwelche Zweifel, welchen Einschlag Charlie Chan schon 1930 in den USA gehabt hat?
Nur zur Erinnerung: Damals gab es 3 Filme von denen zwei stumm waren und Warner Oland, der die Rolle dem Kinopublikum erst richtig nahe brachte, kam erst im Folgejahr auf die Leinwand. 1930 existierten vier Bücher von Earl derr Biggers, das fünfte, “Charlie Chan macht weiter”, erschien während des Jahres.The big sleep

Raymond Chandler ahnte es bereits. In seinem Marlowe-Roman »The Big Sleep« (“Der große Schlaf”) nimmt er Bezug auf den chinesischen Spürhund.
Mitten im fünften Kapitel, bei einer Personenbeschreibung, begegnet uns ein Mann mit “Charlie-Chan-Bärtchen”.

Noch Fragen?

Charlies Krimi-Verwandtschaft: Mr. Wong

Mr Wong Detective - DVDDie Serie lief nie in Deutschland, obwohl immerhin Horrorfilmstar Boris Karloff die Hauptrolle spielte.
Erfunden wurde der Detektiv Mr. Wong von Hugh Wiley im Laufe der 1930er Jahre, als Charlie Chan immer beliebter wurde. Etliche Kurzgeschichten erschienen zwischen 1934 und 1938.

Monogram produziert 6 Filme. Also just jenes Studio, das nach dem Ende der Fox-Chans (1942) den Detektiv ab 1944 weiter ermitteln ließ.
Zwei Streifen sind direkte Vorlagen für späte Monogram-Chan-Filme, was deren Qualität weder hebt noch senkt. Zeitgleich zu den Filmen gab es wie bei Chan auch hier Radiokrimis und Comics.

Mystery of Mr WongDie Filme:

  1. Mr. Wong, Detective (1938)
  2. The Mystery of Mr. Wong (1939)
  3. Mr. Wong in Chinatown (1939)
  4. The fatal Hour (1940)
  5. Doomed to Die (1940)
  6. Phantom of Chinatown (1940)

Nachdem Boris Karloff nach dem fünften Film ausgestiegen war, kurbelte Monogram noch einen sechsten ab, um Verträge einzuhalten. Weiterer finazieller Gewinn war fraglich, daher wurde die Serie eingestellt.
Daran änderte auch der neue Hauptdarsteller nichts: Keye Luke (alias Lee Chan) als etwas jüngerer James Wong. Schade eigentlich.